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Patientenleitlinie Urtikaria

Vorwort

Diese Broschüre richtet sich an Patienten mit Urtikaria. Sie hat zum Ziel, die relevanten Inhalte der internationalen Urtikaria- Leitlinie in verständlicher Weise zu beschreiben. Sie ist also weder ein weiterer Ratgeber zur Urtikaria noch eine Übersetzung der neuesten Urtikaria-Leitlinie. Die Urtikaria-Leitlinie ist für Ärzte geschrieben und die wollen nicht nur lesen, wie sie etwas machen sollen, sondern auch, warum sie es genau so tun sollen. Daher enthält die Leitlinie Passagen, in denen die Handlungsempfehlungen anhand der neuesten Forschungsarbeiten begründet werden. Auch diese Teile der Leitlinie werden in dieser Broschüre erklärt, so dass die Leitlinienempfehlungen auch für den Laien nachvollziehbar werden. Die originale Urtikaria-Leitlinie wurde im April 2014 in englischer Sprache veröffentlicht und ist frei zugänglich unter http://www.ga2len.net/PDF/Guideline.pdf. Die Struktur dieser Broschüre hält sich eng an die Vorlage, damit die beiden Dokumente „parallel“ gelesen werden können.

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Medizinische Leitlinien sind nach klaren Vorgaben erarbeitete Dokumente, die Ärzten dabei helfen sollen, Entscheidungen zu treffen. Die Handlungsempfehlungen einer Leitlinie sind wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert. Die aktuelle Urtikaria-Leitlinie wurde im Rahmen eines Kongresses in Berlin im Jahr 2012 durch über 200 Urtikariaspezialisten aus 39 Ländern erarbeitet und verabschiedet. Ein Expertenpanel hatte im Vorfeld Fragen formuliert und die neu veröffentlichte medizinische Literatur zur Urtikaria gesichtet. 188 medizinische Veröffentlichungen wurden ausgewertet, wovon 67 in die Leitlinie Eingang fanden. Alle Veröffentlichungen wurden nach einem standardisierten Schema bewertet. Bei der Bewertung werden sogenannte Evidenzgrade vergeben, die anzeigen, welcher wissenschaftliche Wert dieser Veröffentlichung beigemessen werden kann. Den höchsten Evidenzgrad erreichen Veröffentlichungen, die mehrere hochwertige Klinische Studien zusammenfassen. Den geringsten Evidenzgrad haben Fallberichte und bloße Expertenmeinungen. Gab es zu einer Frage keinerlei Literatur, konnten die Urtikariaspezialisten die Kategorie „Klinischer Konsens“ wählen. Unter Berücksichtigung der Evidenz und der Meinung der anwesenden Experten werden dann im Konsens für bestimmte Fragestellungen zur Diagnostik und Therapie Empfehlungen ausgesprochen und gewichtet („starke Empfehlung“ über „Empfehlung“ bis hin zu „Empfehlung offen“).

Im folgenden Text finden Sie mehrere Textkästen. Darin sind die vom Expertenpanel formulierten Fragen und die nach den oben genannten Kriterien erarbeiteten Antworten zu finden.

Urtikaria, auch Nesselsucht genannt, beschreibt als Begriff eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen juckende Quaddeln und Angioödeme auftreten. Quaddeln sind oberflächliche, erhabene und tastbare Schwellungen der Haut. Sie sind von einer Rötung umgeben und jucken oder brennen. Quaddeln bilden sich nach einigen Stunden von alleine zurück, ohne an der Haut bleibende Spuren zu hinterlassen. Angioödeme sind tiefer liegende und größere Schwellungen der Haut oder der Schleimhaut. Sie sind gerötet oder hautfarben und dauern bis zu 3 Tagen an. Ein Teil der Patienten mit chronischer spontaner Urtikaria weist ausschließlich Quaddeln auf, bei der Mehrzahl finden sich jedoch Quaddeln und Angioödeme. Das ausschließliche Auftreten von Angioödemen ist selten. Meist ist wegen der typischen Beschwerden schnell klar, dass es sich um eine Urtikaria handelt. Allerdings treten Quaddeln und Angioödeme auch bei Patienten mit anderen Erkrankungen auf.

Quaddeln und Angioödeme entstehen, wenn spezielle Zellen der Haut, die sogenannten Mastzellen, aktiv werden. Mastzellen sind die "Feuerwehr" oder die "Grenzpolizei" des menschlichen Körpers. Sie sind besonders häufig dort anzutreffen, wo wir mit unserer Umwelt im unmittelbaren Kontakt stehen: Also neben der Haut auch in den Schleimhäuten des Magen-Darm-Traktes und der Atemwege. Hier erfüllen sie für den Körper lebenswichtige Funktionen: Sie erkennen Bakterien und Parasiten und machen diese unschädlich. Bei der Urtikaria jedoch werden die Mastzellen ohne eigentliche Bedrohung von außen aktiviert. Es kommt zur Freisetzung von Entzündungsstoffen, z. B. Histamin und damit zu einer Erweiterung der Blutgefäße der Haut mit nachfolgender Schwellung und Rötung der Haut sowie Juckreiz.

Quaddeln und Angioödeme
Quaddeln und Angioödeme

Die Nesselsucht wird nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt. Zunächst erfolgt die Einteilung nach der Dauer in akut (weniger als 6 Wochen anhaltend) und chronisch (länger als 6 Wochen anhaltend). Die chronische Form wird weiter unterteilt in die chronische spontane Urtikaria und die chronische induzierbare Urtikaria. Bei einer induzierbaren Urtikaria lassen sich die Beschwerden gezielt auslösen und treten nur auf, wenn der Auslöser vorliegt. Bei der physikalischen Urtikaria, der größten Gruppe der induzierbaren Urtikaria, sind dies zum Beispiel Reibung, Wärme, Licht oder Druck. Das Einwirken dieses Auslösers auf die Haut führt an der betroffenen Stelle zu Quaddeln oder Angioödemen. Bei der Kontakturtikaria, einer weiteren Form der induzierbaren Urtikaria, löst der Hautkontakt mit bestimmten Substanzen Quaddeln aus, also zum Beispiel das Berühren von Brennesseln oder der Kontakt mit einem Stoff, auf den man allergisch reagiert. Bei allen induzierbaren Urtikariaformen (außer der cholinergischen Urtikaria) sind die Quaddeln auf die Hautregionen begrenzt, auf die der Auslöser eingewirkt hat. Die Verteilung ist damit nicht zufällig, sondern es zeigen sich Muster, die auf den Auslöser schließen lassen. So finden sich z.B. bei der Lichturtikaria die Quaddeln nur an belichteten Stellen, während die unbelichteten Stellen gleich daneben völlig erscheinungsfrei sind. Bei der cholinergischen Urtikaria, einer häufigen Form der induzierbaren Urtikaria, führt Schwitzen zur Quaddelbildung. Dabei ist es unerheblich, ob dies durch körperliche Anstrengung erfolgt oder beispielsweise ein heißes Vollbad. Im Gegensatz zu den eben genannten induzierbaren Formen entstehen die Quaddeln und Angioödeme bei den spontanen Formen „von ganz alleine“. Die Hautveränderungen treten also ohne Zutun des Patienten an allen möglichen Hautpartien auf, und die Begrenzungen der Quaddeln sind rein zufällig. Stress und Wärme können die Entstehung begünstigen, sie sind aber für das Auftreten von Beschwerden nicht unbedingt notwendig. Es kann vorkommen, dass ein Patient an zwei oder selten sogar mehreren Formen der Urtikaria gleichzeitig leidet. Zwischen den Häufigkeiten der einzelnen Urtikariaformen gibt es große Unterschiede. Die mit Abstand häufigste Form ist die akute spontane Urtikaria. Etwa jeder vierte Mensch ist zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens einmal davon betroffen. Zum Glück verschwinden die Beschwerden bei den allermeisten Menschen nach nur einigen Tagen oder wenigen Wochen wieder. Die große Mehrzahl der Patienten mit einer chronischen Urtikaria leidet unter einer chronischen spontanen Urtikaria. Weniger häufig finden sich die induzierbaren Formen der chronischen Urtikaria. In dieser Gruppe leiden die meisten Patienten an symptomatischem Dermographismus (auch Urticaria factitia), cholinergischer Urtikaria, Kälteurtikaria oder Kontakturtikaria. Die aquagene Urtikaria (durch Wasser ausgelöst) oder das vibrationsinduzierte Angioödem sind absolute „Raritäten“. In der folgenden Tabelle sind alle Formen der Urtikaria gemäß dieser Einteilung aufgezählt.

Chronisch

Chronische spontane Urtikaria

(sehr häufig)

Chronische induzierbare Urtikaria

(häufig)

Spontanes Auftreten von Quaddeln, Angioödemen oder beidem für mehr als 6 Wochen aufgrund bekannter oder unbekannter Ursachen

Physikalische Urtikaria

Symptomatischer Dermographismus 1 (häufig)

Kälteurtikaria2 (häufig)

Druckurtikaria3 (selten)

Lichturtikaria (selten)

Wärmeurtikaria4 (sehr selten)

vibrationsinduziertes Angioödem (sehr selten)

Cholinergische Urtikaria (häufig)

Kontakturtikaria (häufig)

Aquagene Urtikaria (sehr selten)

1auch Urticaria factitia oder Dermographische Urtikaria genannt, 2auch Kältekontakturtikaria genannt, 3auch verzögerte Druckurtikaria genannt, 4auch Wärmekontakturtikaria genannt

Sollte die aktuelle Einteilung der Urtikaria beibehalten werden?

Wir empfehlen, diese überarbeitete Version 2013 Revision der Klassifizierung zu verwenden.

(starke Empfehlung /klinischer Konsens)

Großer Wert wurde bei der Leitlinie auf die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen gelegt, bei denen Quaddeln oder Angioödeme auftreten. Weil diese Erkrankungen ganz anders behandelt werden, ist es wichtig, sie bei jedem einzelnen Patienten auszuschließen. Die genannten Erkrankungen sind unter anderem Mastozytose, Urtikariavaskulitis, verschiedene autoinflammatorische Erkrankungen (alle durch Auftreten von Quaddeln oder quaddelähnlichen Hautveränderungen gekennzeichnet) oder auch Hereditäres Angioödem oder ACE-Hemmer induziertes Angioödem (alle durch Auftreten von Schwellungen gekennzeichnet). Die Leitlinie enthält ein Schaubild, das hilft, diese Erkrankungen von der Urtikaria abzugrenzen.

Abkürzungen im Schaubild:
HAE: Hereditäres (Angeborenes) Angioödem
AAE: Angioödem durch erworbenen C1-Inhibitormangel
AIS: Autoinflammatorisches Syndrom

Schwere und Folgen der Urtikaria

Für Ärzte ist es wichtig, die Schwere einer spontanen Urtikaria in irgendeiner Weise messen zu können. Nur wenn das möglich ist, kann geprüft werden, ob unter einer Behandlung die Krankheitsaktivität abnimmt oder nicht. Eine vernünftige Behandlung des Diabetes beispielsweise wäre ohne die Messung des Blutzuckerspiegels fast unmöglich. Bei der Urtikaria gibt es keinen Blutwert, der über die aktuelle Situation der Erkrankung Auskunft geben könnte. Die Informationen zur Krankheitsaktivität können nur vom Patienten selbst kommen. Um diese Informationen strukturiert zu sammeln und auszuwerten, wurden verschiedene Fragebögen entwickelt, deren Anwendung durch die Leitlinie ausdrücklich empfohlen wird. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Leitlinie war als einziges Messinstrument für die Aktivität der spontanen Urtikaria der UAS7 (Urtikaria Aktivitäts-Score). Die 7 bezieht sich auf die 7 zusammenhängenden Tage, über die hinweg der Fragebogen ausgefüllt wird. Der UAS7 fragt täglich einmal ab, wie stark folgende Beschwerden im Lauf der letzten 24 Stunden waren: 1) Anzahl der Quaddeln 2) Stärke des Juckreizes (siehe Tabelle 2). Den Antwortmöglichkeiten werden jeweils Scorewerte zwischen 0 und 3 vergeben, wobei 0 bedeutet, dass keine Quaddeln, bzw. kein Juckreiz aufgetreten sind. Ein Wert von 3 wird vergeben, wenn die Beschwerden maximal sind. Die einzelnen Werte von „Quaddeln“ und „Juckreiz“ werden summiert.

ScoreQuaddelnJuckreiz
0keinekeiner
1weniger als 20 Quaddelnwenig
2zwischen 20 und 50 Quaddelnmittel
3über 50 Quaddelnstark

Der UAS-Wert eines Tages kann also zwischen 0 (keine Beschwerden) und 6 (mehr als 50 Quaddeln, starker Juckreiz) liegen. Da die Beschwerden einer Urtikaria nicht konstant sind, sondern über die Zeit starken Schwankungen unterliegen können, wird der UAS über eine ganze Woche hin erhoben, um solche Schwankungen zu mitteln. Die einzelnen Tageswerte werden dazu wiederum summiert, so dass der UAS7 zwischen 0 und 42 liegen kann.

Für Patienten, die auch oder ausschließlich an Angioödemen leiden, eignet sich der AAS (Angioödem Aktivitäts-Score), der ganz gezielt das Auftreten von Angioödemen und die damit verbundenen Beschwerden erfasst. Der AAS wird über 4 Wochen geführt, da Angioödeme in aller Regel nicht so häufig auftreten wie Quaddeln. Der UAS und der AAS eignen sich in erster Linie für Patienten mit spontaner Urtikaria, können aber mit Abstrichen auch bei induzierbarer Urtikaria eingesetzt werden. Bei induzierbaren Formen eignet sich zur Bestimmung der Schwere der Erkrankung eher die Stärke des auslösenden Reizes, beispielsweise die Bestimmung der Temperatur, die bei Patienten mit Kälteurtikaria gerade noch zur Auslösung der Beschwerden führt. Je geringer die Stärke des auslösenden Reizes, desto schwerer ist der Patient betroffen.

Sollte der aktuelle Aktivitätscore (UAS7) beibehalten werden, um die Schwere der Urtikaria zu beurteilen?
Wir empfehlen die Nutzung des UAS7 um die Schwere zu ermessen (starke Empfehlung /klinischer Konsens)

Urtikaria kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigung betrifft je nach Symptomen unterschiedliche Bereiche der Lebensqualität. Mit speziellen Fragebögen, wie dem CU-Q2oL (Chronic Urticaria Quality of Life Questionnaire) und dem AE-QoL (Angioedema Quality of Life Questionnaire) lässt sich feststellen, wie die Lebensqualität ist und welche Bereiche betroffen sind.

Bei CSU-Patienten mit Quaddeln kommt der CU-Q2oL zum Einsatz, bei Patienten mit Angioödemen der AE-QoL. Die Lebensqualität sollte vor Beginn einer Behandlung und danach in regelmäßigen Abständen bestimmt werden. Die Verbesserung der Lebensqualität ist letztlich das Ziel der Behandlung. Nur wenn das Behandlungsergebnis auch überprüft werden kann, weiß der Arzt, ob erfolgreich therapiert wurde oder ob weitere Maßnahmen notwendig sind.

Welches Instrument sollte zur Messung der Lebensqualität bei Urtikaria verwendet werden?

Wir empfehlen die Verwendung der validierten Fragebögen CU-Q2oL und AE-QoL, um die Beeinträchtigung der Lebensqualität zu beurteilen und die Aktivität der Erkrankung zu überwachen (starke Empfehlung /klinischer Konsens)

In den letzten beiden Jahrzehnten wurden bei der Erforschung der Ursachen der Urtikaria große Fortschritte gemacht. Bei der chronischen spontanen Urtikaria lassen sich die Ursachen grob in drei voneinander verschiedene Gruppen einteilen: Autoreaktive Reaktionen, Intoleranz gegen Nahrungsmittel oder Medikamente und Infekterkrankungen.

Autoreaktive Urtikaria:  Bei der autoreaktiven Urtikaria werden vom Körper Stoffe produziert und in den Blutkreislauf gebracht, die, wenn sie aus dem Blut in die Haut gelangen, dort zu einer Aktivierung von Mastzellen führen. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Autoimmun-Urtikaria, bei der das Immunsystem des Körpers Abwehrantikörper (Immunglobuline) gegen körpereigene Eiweiße herstellt. Diese werden von den Abwehrantikörpern gerade so angegriffen, als würde es sich hierbei um gefährliche Eindringlinge wie z.B. Bakterien handeln. Der Körper bekämpft sich sozusagen selbst. Deshalb nennt man solche Abwehrantikörper gegen "sich selbst" auch Autoantikörper. Bei einer Autoimmun-Urtikaria werden häufig Autoantikörper gegen IgE (Allergie-Antikörper) oder den IgE-Rezeptor gefunden. Treffen diese Antikörper auf IgE, das an Mastzellen angedockt hat bzw. auf die IgE-Rezeptoren einer Mastzelle, so kommt es zur Stimulation der Mastzelle mit Freisetzung von Histamin und nachfolgend zur Ausbildung von Quaddeln und Juckreiz. Eine autoreaktive Urtikaria lässt sich mit Hilfe des autologen Serumtests (ASST=autologous skin serum test) einfach, rasch und sicher diagnostizieren. Dazu wird aus frisch entnommenem Vollblut Serum gewonnen, das dem Patienten in einer Art Allergietest in die Haut gespritzt wird. Entsteht an der Stelle eine Quaddel, zeigt dies an, dass der Patient auf sein eigenes Serum „allergisch“ reagiert.

Intoleranzurtikaria: Häufig äußern Patienten mit chronischer spontaner Urtikaria den Verdacht, dass ihre Beschwerden mit der Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel zusammenhingen. Dennoch führe das Meiden der verdächtigten Nahrungsmittel nicht zu einer deutlichen Besserung und auch frühere Allergietestungen seien negativ gewesen. Dies deutet auf eine Intoleranz-Urtikaria hin. Bei dieser Form handelt es sich nicht um eine echte allergische Reaktion auf Nahrungsmittel, sondern um eine dosisabhängige und zeitverzögerte (vier bis zwölf Stunden) Unverträglichkeitsreaktion gegen sogenannte Pseudoallergene, das sind beispielsweise Farb-, Konservierungs- oder Aromastoffe sowie natürliche Nahrungsmittelbestandteile. Die genauen Mechanismen, die zur Mastzellaktivierung führen, sind noch nicht bekannt.

Infekturtikaria: Dass eine chronische spontane Urtikaria infolge infektiöser Prozesse auftreten kann, ist seit langem bekannt. Man vermutet im weitesten Sinne eine Fehlsteuerung des Immunsystems bei der Infektabwehr als Ursache. Vor allem Infektionen im Magen-Darm-Bereich durch Helicobacter pylori sowie Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich oder der Zahnwurzeln sind besonders häufig die Ursache einer Infekturtikaria.

Die Häufigkeit der einzelnen Ursachen bei der chronischen spontanen Urtikaria ist nicht einfach zu benennen, da die medizinische Literatur durch regionale Unterschiede bei der Ernährung oder dem Vorkommen von Infekterkrankungen oft zu sehr verschiedenen Ergebnissen kommt. Bei den induzierbaren Formen der Urtikaria sind die zugrundeliegenden Ursachen fast immer unbekannt. Weder Autoreaktivität noch Intoleranzreaktionen scheinen hier eine wichtige Rolle zu spielen, lediglich Infekte können in Einzelfällen ursächlich sein.

Beim ersten Kontakt mit dem Patienten sollte eine ausführliche Anamnese (das Erheben der Krankheits- und Krankengeschichte) durchgeführt werden, dabei sollte der Arzt folgende Punkte berücksichtigen:

  1. Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung
  2. Häufigkeit/Dauer der Quaddeln und auslösende Faktoren
  3. Veränderung im Tagesverlauf
  4. Auftreten in Bezug auf Wochenenden, Ferien, Auslandsreisen
  5. Form, Größe und Verteilung der Quaddeln
  6. Auftreten von Angioödemen
  7. Begleitsymptome wie Juckreiz, Schmerz
  8. Familiärer und persönlicher Hintergrund hinsichtlich Urtikaria, Allergien
  9. Frühere oder bestehende Allergien, Infektionen, Innere Erkrankungen oder mögliche sonstige mögliche Ursachen
  10. Psychosomatische und psychiatrische Erkrankungen
  11. Implantate und Ereignisse während eines Eingriffs, z.B. nach der Lokalanästhesie
  12. Magen-/Darmprobleme
  13. Auslösung der Beschwerden durch äußere Einflüsse oder Anstrengung
  14. Medikamenteneinnahme (z.B. Schmerzmittel, Injektionen, Impfungen, Hormone, Abführmittel, Zäpfchen, Ohren- und Augentropfen und alternative Heilmittel)
  15. Zusammenhänge mit Nahrungsmitteln
  16. Abhängigkeit vom Menstruationszyklus
  17. Rauchgewohnheiten (insbesondere Genuss von parfümiertem Tabak oder Cannabis)
  18. Beruf
  19. Hobbies
  20. Stress
  21. Lebensqualität im Hinblick auf Urtikaria
  22. Frühere Therapie und Ansprechen auf die Therapie
  23. Frühere Untersuchungsergebnisse

Die daraus resultierenden Untersuchungen hängen ab vom Subtyp der Urtikaria und den Ergebnissen der Anamnese. Bei einer akuten Urtikaria wird empfohlen, überhaupt keine Untersuchungen durchzuführen: Die spontane Heilungsrate bei akuter Urtikaria ist so hoch, dass die meisten Patienten noch vor Eintreffen der Untersuchungsbefunde schon wieder beschwerdefrei sind.

Sollten Routinediagnoseverfahren bei akuter Urtikaria durchgeführt werden?

Wir raten von Routinediagnosenverfahren bei akuter Urtikaria ab (starke Empfehlung /klinischer Konsens).

Sollten Routinediagnoseverfahren bei chronisch spontaner Urtikaria durchgeführt werden?

Wir empfehlen, nur einige Routinediagnoseverfahren bei chronisch spontaner Urtikaria durchzuführen (starke Empfehlung /klinischer Konsens).

Sollten umfassende Diagnoseverfahren bei chronisch spontaner Urtikaria durchgeführt werden?      

Wir empfehlen, nur wenige umfassende Diagnoseverfahren, basierend auf der Patientenhistorie, bei chronisch spontaner Urtikaria durchzuführen (starke Empfehlung /klinischer Konsens).

Sollten Routinediagnoseverfahren bei induzierten, nicht spontanen Subtypen der Urtikaria durchgeführt werden?
Wir empfehlen, die Routinediagnoseverfahren auf die Bestimmung des Schwellenwertes auslösender Faktoren bei induzierbaren Urtikaria-Subtypen zu beschränken (starke Empfehlung /klinischer Konsens).

Bei der chronischen spontanen Urtikaria empfiehlt die Leitlinie die Beschränkung auf die Suche nach entzündlichen Grunderkrankungen mittels einer Blutuntersuchung (Blutbild, und die Entzündungswerte Blutsenkungsgeschwindigkeit oder C-reaktives Protein). Nur wenn sich aus dieser Untersuchung oder aus der Anamnese Hinweise auf eine zugrundeliegende Ursache ergeben, sollen weitere Untersuchungen in Betracht gezogen werden:

  1. gründliche Abklärung infektiöser Ursachen
  2. Allergien
  3. Schilddrüsenerkrankungen
  4. Hauttests/Hautfunktionstests
  5. Pseudoallergenarme Diät
  6. Tryptase (ein Mastzellenzym, das im Blut gemessen werden kann)
  7. autologer Serumtests (ASST)
  8. Hautprobe

Bei allen Formen der induzierbaren Urtikaria beschränken sich die empfohlenen Untersuchungen auf die Bestätigung der Urtikaria und gegebenenfalls des Schwellenreizes mittels des entsprechenden Provokationstests. Bei diesen Provokationstest wird die Haut des Patienten mit dem auslösenden Reiz konfrontiert und die eventuell entstehende urtikarielle Hautreaktion dokumentiert. Für die Provokationstestungen stehen für die Kälteurtikaria, den symptomatischen Dermographismus und die Druckurtikaria validierte und standardisierte Geräte oder Methoden zur Verfügung. Die Leitlinie mahnt die Entwicklung solcher Geräte oder Methoden auch für die übrigen Formen der induzierbaren Urtikaria an. Nur beim symptomatischen Dermographismus und bei der Kälteurtikaria kann sich eventuell noch eine Blutuntersuchung anschließen.

Ein routinemäßiges Screening auf Tumorleiden wird nicht empfohlen. Bei den Blutuntersuchungen an Urtikariapatienten findet sich häufig ein Mangel an bestimmten weißen Blutkörperchen, den Basophilen. Die Bedeutung dieser Beobachtung ist unklar. Die Autoren der Leitlinie raten ab von weitergehenden Untersuchungen in diese Richtung und fordern diesbezüglich weitere Forschungsarbeit.

Urtikaria betrifft Menschen jeden Lebensalters. Kinder sind sogar vergleichsweise häufig von einer akuten spontanen Urtikaria betroffen. Auslöser scheinen bei Kindern vor allem Virusinfektionen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu sein, im Unterschied zu Erwachsenen auch richtige Nahrungsmittelallergien. Bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie sollte dem gründlich nachgegangen werden. Im Übrigen aber unterscheiden sich Kinder bezüglich der zugrundeliegenden Ursachen nur wenig von Erwachsenen, so dass (abgesehen von Kleinkindern) das gleiche diagnostische Vorgehen wie bei Erwachsenen empfohlen wird.

Grundlegende Überlegungen

  1. Mit Ausnahme der akuten spontanen Urtikaria ist die Urtikaria eine chronisch verlaufende Erkrankung. Die Beschwerden der Urtikaria entstehen durch die Aktivierung von Mastzellen, die ihre Wirkstoffe, allen voran Histamin, in die Haut abgeben, woraufhin die Haut mit Juckreiz, Quaddeln und Angioödemen reagiert. Während bei der Diagnostik großer Wert auf die Unterscheidungen der verschiedenen Urtikaria-Subtypen gelegt werden muss, ist die Behandlung der verschiedenen Urtikariaformen fast einheitlich. Wie bei anderen Mastzell-vermittelten Erkrankungen wird als grundlegendes Prinzip empfohlen, a) den Auslöser/die Ursache zu beseitigen, b) die Aktivierung der Mastzelle oder ihre Wirkstoffe zu blockieren und c) wenn möglich eine Gewöhnungsbehandlung durchzuführen.
  2. Je nach Typ der Urtikaria, beziehungsweise der Kombination verschiedener Subtypen in einem Patienten, können die Beschwerden der Urtikaria andauernd oder schubweise auftreten, spontan oder induziert. Diesem Reaktionsmuster muss individuell Rechnung getragen werden bei der Wahl der Therapie.
  3. Da die akute Urtikaria definitionsgemäß zeitlich nur kurz anhält, soll hier das Augenmerk allein auf einer zeitlich begrenzten medikamentösen Bekämpfung der Beschwerden liegen.

Sollte die Behandlung auf die vollständige Symptomkontrolle bei Urtikaria abzielen?
Wir empfehlen, die vollständige Symptomkontrolle mit größtmöglicher Sicherheit bei Urtikaria anzustreben (starke Empfehlung /klinischer Konsens nach der WHO-Verfassung im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen).

Voraussetzung für ein gezieltes Meiden von Auslösern ist die Kenntnis derselben, das heißt, es muss eine genaue Diagnose gesichert sein. Während die Ermittlung des Auslösers bei induzierbaren Urtikariaformen meist gelingt, ist die Identifizierung der Ursache bei chronischer spontaner Urtikaria nicht immer einfach. Wenn beispielsweise ein Infekt bei einem Patienten mit Urtikaria gefunden wird, kann der Infekt sowohl Ursache sein als auch ein beschwerdeverstärkender Faktor oder aber auch ein völlig unabhängiger Zufallsbefund, der nichts mit der Urtikaria zu tun hat. Erst die Sanierung des Infektherdes würde zeigen, ob danach eine Besserung der Urtikaria eintritt oder nicht. Und wenn eine Besserung eintritt, lässt sich nicht sicher ausschließen, ob eine Spontanheilung der Grund der Besserung war. Sollte der vermutete Auslöser ein Medikament oder ein Nahrungsmittel sein und die Beschwerden nach Absetzen/Auslassen des vermuteten Auslösers abklingen, kann in besonderen Fällen ein Provokationstest sinnvoll sein. Der Patient wird dem vermuteten Auslöser unter kontrollierten Bedingungen wieder ausgesetzt. Wenn die Beschwerden wiederkehren ist der Zusammenhang bewiesen.

Werden Medikamente als Auslöser einer Urtikaria verdächtigt, müssen sie abgesetzt bzw. auf Alternativmedikamente umgesetzt werden, die einer anderen Stoffklasse angehören. Die bekanntesten Auslöser einer Urtikaria sind Schmerzmedikamente aus der Klasse der sogenannten Nicht-steroidalen Antirheumatika, oder auch Nicht-steroidale Antiphlogistika. Typische Vertreter dieser Klasse sind ASS (Acetylsalicylsäure), Ibuprofen oder Diclofenac. Diese Medikamente können nicht nur eine Urtikaria auslösen, sondern eine bestehende Urtikaria weiter verschlimmern. Ein komplettes Absetzen dieser Medikamente muss also nicht immer zur kompletten Beschwerdefreiheit führen.

Bei einer physikalischen Urtikaria wird geraten, den auslösenden Reiz zu vermeiden. Voraussetzung dafür ist, dass der Reiz genau bekannt ist, was bei einer gründlichen Diagnose fast immer der Fall ist. Physikalische Reize zu vermeiden, kann im Alltag sehr schwierig sein. Niemand ist in der Lage, Druck zu vermeiden. Patienten mit Druckurtikaria sollen aber genau das tun. Dazu müssen sie wissen, dass Druck eine Funktion aus Kraft und Fläche ist: Wo sich der Druck nicht vermeiden lässt, muss die Fläche, auf die die Kraft wirkt, vergrößert werden. Beispiel: Eine Umhängetasche verursacht mit einem doppelt so breiten Tragriemen nur halb so viel Druck auf die Schulter wie die gleich schwere Tasche mit einem schmalen Riemen. Patienten mit Lichturtikaria sollten wissen, auf welche Wellenlänge des Lichts sie besonders stark reagieren, um den Licht- und Sonnenschutz optimal anpassen zu können.

Bei der chronischen spontanen Urtikaria werden chronische Infekte häufig als Ursache gefunden, bei der physikalischen Urtikaria ist dies nur in einigen Fällen von der Kälteurtikaria und dem symptomatischen Dermographismus bekannt. Als ursächlich angesehen werden unter anderem Infekte des Magen-Darm-Traktes (bakteriell und parasitär) sowie solche im Hals-Nasen-Ohren Bereich. Die Forschung äußert sich zu den Zusammenhängen und Häufigkeiten nicht einheitlich, der größte Konsens besteht bei dem Zusammenhang von chronischer spontaner Urtikaria und einer Infektion mit Helicobacter pylori. Helicobacter pylori ist ein Bakterium, das den menschlichen Magen besiedelt und dort eine Gastritis (Magenschleimhautentzündung) verursacht. Diese Gastritis muss –wie viele andere chronische Entzündungen- nicht zwangsläufig schmerzhaft sein oder spezifische Beschwerden verursachen. Aber immer kommt es zu einer Auseinandersetzung der „Eindringlinge“ mit dem körpereigenen Immunsystem. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung kann es bei manchen Menschen zur Urtikaria kommen. Daher wird empfohlen, solche Infektherde zu sanieren, in der Regel geschieht dies durch eine entsprechende antibiotische Behandlung.

Bei einer nachgewiesenen Autoimmunurtikaria könnte eine Blutwäsche sinnvoll sein, dies konnte in der Vergangenheit in einigen Fällen gezeigt werden. Allerdings fehlt es für die Anwendung dieser sehr teuren Therapie noch an Erfahrung.

Echte Nahrungsmittelallergien vom Soforttyp (wie zum Beispiel eine Erdnussallergie) sind fast nie die Ursache einer chronischen spontanen Urtikaria. Wenn bei einer Urtikaria Zusammenhänge zu Lebensmitteln bestehen, handelt es sich in aller Regel um eine unspezifische, zeitverzögerte und mengenabhängige Intoleranzreaktion. Bestimmte Nahrungsmittelbestandteile wie Farbstoffe, Aromastoffe oder Konservierungsstoffe können eine chronische spontane Urtikaria verursachen oder eine bestehende Urtikaria verschlimmern. Diese Stoffe können sowohl „künstlichen“ Ursprungs sein, aber auch natürlicherweise in Obst und Gemüse vorkommen. Das Weglassen dieser Nahrungsmittelbestandteile (im Rahmen einer sogenannten pseudoallergenarmen Diät) führt bei vielen Patienten nach 2 bis 3 Wochen zu einer Besserung der Beschwerden. Als Therapie soll diese Diät über einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten durchgeführt werden. Es muss angemerkt werden, dass die berichteten Erfolgsraten regional stark variieren, was möglicherweise an kulturell bedingten Verschiedenheiten der Ernährungsgewohnheiten liegt. Hier muss in Zukunft noch viel geforscht werden.

Sollten Patienten mit einer Neigung zu allergischen Erkrankungen  (positiver spezifischer IgE/Hautpricktest) bestimmte Lebensmittel meiden?

Wir empfehlen, dass Patienten mit bekannter Lebensmittel-Allergie/-Sensibilisierung, basierend auf einem spezifischen IgE-Wert, diese Lebensmittel nur meiden sollen,  wenn relevante Informationen vorliegen, dass die Sensibilisierung eine klinische Relevanz für die Urtikaria hat. Aufschlüsse ergeben sich beispielsweise aus einer doppelt verblindeten oralen Provokationstestung oder aus einer klaren Historie (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau)

Sind pseudoallergenarme Diäten im Zusammenhang mit der ausführlichen Diagnostik von chronisch spontaner Urtikaria sinnvoll?
Wir empfehlen die Durchführung von pseudoallergenarmen- (nicht-allergischen Überempfindlichkeitsreaktion) Diäten beim ausführlichen Diagnoseverfahren bei chronisch spontaner Urtikaria nur bei Patienten, die täglich oder beinahe täglich Symptome aufweisen (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau).

Bei verschiedenen induzierbaren Formen der Urtikaria ist prinzipiell eine Gewöhnungsbehandlung möglich. So wurde berichtet, dass bei Kälturtikaria, symptomatischem Dermographismus, Lichturtikaria und bei cholinergischer Urtikaria die wiederholte Konfrontation mit dem auslösenden Reiz zu einer Besserung der Beschwerden führen kann. Der dadurch erzielte Therapieerfolg hält aber nur wenige Tage an, deswegen müssen die Behandlungen kontinuierlich fortgesetzt werden.

Symptomatische Behandlung bedeutet, die Symptome einer Krankheit zu behandeln. Im Unterschied zur kausalen Behandlung wird hier nicht die Ursache der Erkrankung therapiert, sondern die Beschwerden. Daher hat eine symptomatische Behandlung in aller Regel keinen Einfluss auf den Verlauf einer Erkrankung. Die symptomatische Therapie ist der wichtigste Therapieansatz bei einer chronischen Urtikaria und zielt darauf ab, die Effekte der Mastzellmediatoren, allen voran des Histamins, zu neutralisieren. Zu diesem Zweck gibt es die Antihistaminika. Typische Antihistaminika sind Cetirizin, Levocetirizin, Loratadin, Desloratadin, Rupatadin, Fexofenadin oder Ebastin. Diese Antihistaminika blockieren die sogenannten H1 Histaminrezeptoren auf Blutgefäßen und Nerven. H1 Histaminrezeptoren  kommen fast nur in der Haut vor. Es wird empfohlen, H1-Antihistaminika kontinuierlich einzunehmen, um den bestmöglichen Effekt zu erreichen.

Neben dem Histamin spielen bei der chronischen spontanen Urtikaria auch andere Mastzellmediatoren eine Rolle, z. B. PAF, Leukotriene und Zytokine. Es gibt Medikamente, die PAF blockieren können und welche, die Leukotriene blockieren können. Ältere Antihistaminika haben einen ausgeprägten, müde machenden Effekt auf das zentrale Nervensystem, der länger anhält als die Wirksamkeit gegen den Juckreiz. Zusätzlich beeinflussen diese Medikamente den Schlafrhythmus, was sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken kann. Die Leitlinie empfiehlt dringend, den Gebrauch alter, müde machender Antihistaminika zu vermeiden und stattdessen moderne, nicht müde machende Antihistaminika bei der Behandlung der chronischen Urtikaria einzusetzen. Diese Empfehlung beruht auf zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, die u. a. zeigen, dass die modernen Anthistaminika besser wirksam sind bei weniger Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen der alten Antihistaminika sind mittlerweile recht gut verstanden. Die Medikamente überwinden die Blut-Hirn-Schranke und binden an H1-Rezeptoren des zentralen Nervensystems, wo sie die neurotransmittorischen Effekte des Histamins beeinflussen. Die Beeinflussung ist besonders stark bei Tätigkeiten, bei denen die Fähigkeit zu Multitasking und komplexen Bewegungsabläufen gefordert wird, wie z. B. dem Autofahren. Die müde machenden Nebenwirkungen der alten Anthistaminika sind besonders zu berücksichtigen bei älteren Menschen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen und Fallneigung. Die Entwicklung moderner Zweite-Generation-Antihistaminika führte zu Medikamenten mit geringen oder keinen müde machenden Nebenwirkungen. Lediglich zwei dieser neueren Entwicklungen, das Astemizol und das Terfenadin zeigten bedeutende Nebenwirkungen, wenn sie zusammen mit einem bestimmten Antibiotikum oder einem bestimmen Antipilzmittel (Antimykotikum) gegeben wurden. Daher sind diese beiden Medikamente in den meisten Ländern nicht mehr auf dem Markt. Viele der modernen Antihistaminika sind Abwandlungen oder Stoffwechselprodukte von älteren Antihistaminika. Nicht alle Antihistaminika wurden ausreichend speziell für die Urtikaria untersucht, vor allem Vergleichsstudien zwischen den verschiedenen Antihistaminika gibt es kaum. Insgesamt aber gibt es genügend Klinische Studien, die die Wirksamkeit und die Sicherheit der modernen Antihistaminika belegen, so dass sie als die Therapie der ersten Wahl gelten.

Sind die aktuellen H1-Antihistaminika der zweiten Generation 1. Wahl bei der Behandlung von Urtikaria und gegenüber anderen lizensierten Medikamenten vorzuziehen?
Wir empfehlen, dass die heutigen H1-Antihistaminika der zweiten Generation als Primärbehandlung bei der Urtikaria Verwendung finden (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau).

Zahlreiche weitere Klinische Studien zeigen, dass moderne Antihistaminika bei Urtikaria in einer höheren als der in der Fachinformation empfohlenen Dosierung besser wirken, ohne dass dadurch die Sicherheit beeinträchtigt würde. Solche Studien gibt es für Cetirizin, Levocetirizin, Desloratadin, Rupatadin, Fexofenadin und Bilastin. Über alle diese Untersuchungen hinweg zeigt sich, dass die Mehrzahl der Urtikariapatienten, die auf die einfache (von der Fachinformation empfohlenen) Dosis nicht ausreichend ansprechen, von einer Dosiserhöhung profitieren. Aufgrund dieser Datenlage empfiehlt die Leitlinie moderne Antihistaminika in einfacher Dosierung als Therapie der ersten Wahl, in erhöhter Dosierung als zweite Wahl.

Ist eine Erhöhung der Dosis der gegenwärtigen zweiten Generation von H1-Antihistaminika auf das Vierfache als Zweitlinientherapie sinnvoll und sollte dies gegenüber anderen Behandlungsformen der Urtikaria bevorzugt werden?

Wir empfehlen als zweite Stude des Behandlungsschemas die Erhöhung der Dosis von H1-Antihistaminika der zweiten Generation auf das Vierfache.

Sollten H1-Antihistaminika der zweiten Generation regelmäßig oder nach Bedarf eingenommen werden?
Wir empfehlen, der regelmäßigen Verwendung von oralen H1-Antihistaminika der zweiten Generation in der niedrigsten wirksamen Dosierung gegenüber der Bedarfsmedikation den Vorzug zu geben (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau).

Sollten verschiedene H1-Antihistaminika gleichzeitig genommen werden?
Wir empfehlen, bei Nichtberuhigung die Gabe oraler H1-Antihistaminika der zweiten Generation auf bis das Vierfache zu erhöhen (starke Empfehlung / hochwertige Evidenz), anstatt die Kombination von verschiedenen H1-Antihistaminika zur gleichen Zeit (starke Empfehlung, schwaches Evidenzniveau).

Sollte bei ausbleibender Besserung die Dosis der Antihistaminika über das Vierfache hinaus erhöht werden?
Wir empfehlen, moderne, nicht sedierende Antihistaminika bis zum Vierfachen der vom Hersteller empfohlenen Tagesdosis anzuwenden (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau), aber nicht darüber hinaus aufzudosieren.

1. Moderne nicht-sedierende Antihistaminika in einfacher Dosierung

     ↓  Wenn nach 2 Wochen weiterhin Beschwerden

2. Moderne nicht-sedierende Antihistaminika in bis zu vierfacher Dosierung

     ↓  Wenn nach 1-4 Wochen weiterhin Beschwerden

3. Zusätzlich Omalizumab, Ciclosporin A oder Montelukast

Therapie der ersten Wahl: Antihistaminika in einfacher Dosierung.
Diese Empfehlung ist durch eine ausgezeichnete Studienlage begründet. Geringe Kosten und weltweite Verfügbarkeit der Antihistaminika bei ausgezeichneter Sicherheit und Wirksamkeit.

Therapie der zweiten Wahl: Auch hier besteht eine gute Studienlage. Geringe Kosten, ausgezeichnete Sicherheit und gute Wirksamkeit.

Therapie der dritten Wahl als Zusatztherapie zu Antihistaminika

  • Cyclosporin A.
    Gute Studienlage, mittlere bis hohe Kosten, mäßiges Sicherheitsprofil, gute Wirksamkeit.
  • Omalizumab
    Sehr gute Studienlage, hohe Kosten, gutes Sicherheitsprofil, gute Wirksamkeit.
  • Montelukast
    Geringe, schlechte Studienlage, geringe Kosten, gute Sicherheit, geringe Wirksamkeit
  • Kortison als Kurzzeittherapie
    Wenig Studien, geringe Kosten, weltweite Verfügbarkeit, gute Sicherheit bei Kurzzeitanwendung, gute Wirksamkeit

Omalizumab ist ein sogenanntes Biological. Biologicals sind künstlich hergestellte Eiweißstoffe, die gezielt in biologische Funktionen des Körpers eingreifen. Im Fall von Omalizumab handelt es sich bei diesem Eiweiß um einen sogenannten Antikörper, einen Abwehrstoff, der ganz gezielt das Allergieeiweiß IgE im Körper abfängt und neutralisiert. Es ist noch nicht abschließend erforscht, weshalb die Reduktion von IgE im Körper zu einer deutlich verringerten Aktivierbarkeit der Mastzellen führt. Omalizumab wurde ursprünglich für die Behandlung des allergischen Asthmas entwickelt; es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass es bei verschiedensten Formen der Urtikaria ausgesprochen gut wirkt. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Urtikaria-Leitlinie war Omalizumab noch nicht zugelassen. Diese Zulassung besteht nun für die chronische spontane Urtikaria, die auf Antihistaminika nicht anspricht. Die Dosisempfehlung ist 300mg alle vier Wochen.

Ist Omalizumab in der Behandlung von Patienten, die nicht auf hochdosierte H1-Antihistaminika ansprechen, hilfreich als dritte Therapiestufe?
Wir empfehlen einen Versuch mit Omalizumab als zusätzliche Therapie neben der Gabe von H1-Antihistaminika der zweiten Generation, drittrangig im Algorithmus der Behandlung der Urtikaria (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau).

Cyclosporin A ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Immunsuppressiva, das vor allem bei Organtransplantierten angewandt wird, um die Abstoßungsreaktion zu unterbinden. Cyclosporin A hat aber auch einen direkten Effekt auf die Freisetzung von Mastzellmediatoren. In kontrollierten Studien hat Cyclosporin A gezeigt, dass es in Kombination mit Antihistaminika bei der Urtikaria gut wirksam ist. Wegen der vielfältigen Nebenwirkungen soll Cyclosporin A nicht als Standardtherapie angewandt werden. Allerdings sind diese Nebenwirkungen immer noch geringer als die einer Langzeit-Kortisonanwendung. Daher soll es nur für ausgewählte Patienten in Betracht gezogen werden, die auf Antihistaminika überhaupt nicht ansprechen.

Ist Ciclosporin A in der Behandlung von Patienten, die nicht auf hochdosierte H1-Antihistaminika ansprechen, hilfreich als dritte Therapiestufe?
Wir empfehlen einen Versuch mit Ciclosporin A als zusätzliche Therapie neben der Gabe von H1-Antihistaminika der zweiten Generation, drittrangig im Algorithmus der Behandlung der Urtikaria (starke Empfehlung, hohes Evidenzniveau).

In einigen älteren Studien wurde die Anwendung von Leukotrien-Antagonisten untersucht. Leukotriene sind Stoffe, die bei der Aktivierung von Mastzellen frei werden und die entzündliche Reaktion einer Urtikaria unterstützen. Ein Teil dieser Studien hat gezeigt, dass bei der Therapie der Urtikaria eine gewisse Wirksamkeit vorhanden zu sein scheint. Die Studien selbst sind wegen ganz unterschiedlichen Patientengruppen allerdings schwer zu vergleichen. Am ehesten scheint der Leukotrien-Antagonist Montelukast bei der Urtikaria wirksam zu sein.

Sollten Leukotrien-Antagonisten als dritte Therapiestufe in der Behandlung der Urtikaria zum Einsatz kommen?
Wir empfehlen einen Versuch mit Montelukast als Zusatztherapie zur Behandlung mit H1-Antihistaminika der zweiten Generation als dritte Therapiestufe in der Behandlung der Urtikaria (Empfehlung, schwaches Evidenzniveau).

Während bei anderen allergischen Erkrankungen Kortisoncremes häufig sehr erfolgreich angewandt werden können, sind Kortisoncremes bei der Urtikaria nicht von Nutzen. Kortison systemisch gegeben (also als Tablette oder als Spritze) unterdrückt die Beschwerden einer Urtikaria sehr effektiv, wenn tägliche Dosen zwischen 20mg und 50mg angewandt werden. Bei diesen hohen Dosen kommt es bei regelmäßiger Anwendung unausweichlich zu Nebenwirkungen. Es wird daher dringend empfohlen, von der Langzeitanwendung von Kortison abzusehen. Für akute Urtikaria beziehungsweise aktive Schübe einer chronisch spontanen Urtikaria hingegen kann eine kurzzeitige systemische Anwendung von Kortison in Betracht gezogen werden. Diese Anwendung sollte aber eine Dauer von zehn Tagen nicht überschreiten.

Sollten orale Kortikosteroide bei der Behandlung der Urtikaria eingesetzt werden?
Wir raten von der Langzeittherapie mit systemischen Kortikosteroiden bei der Urtikaria ab (starke Empfehlung/hohes Evidenzniveau). Nur bei akuter Verschlimmerung der Urtikaria kann eine kurzzeitige Therapie mit systemischen Kortikosteroiden erfolgen (Empfehlung, schwaches Evidenzniveau).

Mit einer Dosiserhöhung der Antihistaminika bis auf das vierfache der Herstellerempfehlung ist den meisten Patienten mit Urtikaria im Regelfall gut geholfen. Für jene aber, die darauf nicht ansprechen, müssen alternative Behandlungswege gefunden werden. Patienten sollten ausreichend mit Antihistaminika behandelt werden, damit sich das volle Wirkpotential entfalten kann. Empfohlen wird eine Behandlungsdauer von 1 - 4 Wochen mit hochdosierten Antihistaminika, um die Wirksamkeit zuverlässig abschätzen zu können. Da der Schweregrad einer Urtikaria sich in vielen Fällen über die Zeit stark verändern und spontane Abheilung jederzeit geschehen kann, sollte die Notwendigkeit einer Fortführung oder Anpassung der Therapie alle 3 – 6 Monate überprüft werden.

Es gibt nur wenige Daten dazu, wie Medikamente zur Behandlung der Urtikaria kombiniert werden können und sollen. Am besten untersucht ist die Kombination von Antihistaminikum und Omalizumab oder Cyclosporin. Weniger gut untersucht ist die Kombination von Antihistaminikum und Leukotrien-Antagonisten. Daher ist die Anzahl der Empfehlungen im dritten Schritt des Therapiealgorithmus sehr begrenzt. Kombination von Antihistaminika und Dapson wurde in der letzten Leitlinie noch empfohlen, die Datenlage jedoch ist zu schlecht, um diese Empfehlung noch im Therapiealgorithmus zu belassen. Die Kombination hat aber weiterhin ihren Stellenwert mit beschränkten Möglichkeiten des Gesundheitssystems. Andere Therapiemöglichkeiten wurden in der Vergangenheit innerhalb kleinerer Studien untersucht. Wegen der geringen Qualität dieser Studien lässt sich jedoch keine allgemeine Behandlungsempfehlung daraus ableiten. Zu diesen Medikamenten, die möglicherweise wirksam sind, aber nicht direkt empfohlen werden können, zählen Sulfasalazin, Methotrexat, Interferon, Plasmapherese, Fototherapie und intravenöse Immunglobuline sowie TNF-Alpha-Inhibitoren. Manche Behandlungen, denen man früher eine Wirksamkeit zusprach, haben sich als unwirksam erwiesen. Diese Methoden sollten nicht mehr zur Anwendung kommen. Dazu zählen Tranexamsäure, Chromoglycinsäure, Nifedipin, Colchizin, Indometacin. Möglicherweise müssen einzelne dieser Therapien erneut auf den Prüfstand gestellt werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie bei bestimmten Untergruppen doch wirksam sein könnten.

Kinder

Viele Ärzte verwenden bei Kindern nach wie vor alte, müde machende Antihistaminika in der Annahme, dass deren Sicherheitsprofil besser bekannt sei als das der modernen Antihistaminika. Darüber hinaus sind moderne Antihistaminika für Kinder unter sechs Monaten nicht zugelassen, wohingegen ältere Antihistaminika hier geringere Einschränkungen haben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die älteren Antihistaminika zu einer Zeit zugelassen wurden, als die Regularien weniger streng waren. Als Folge daraus verwenden viele Ärzte weiterhin die alten Antihistaminika, die, wie oben gezeigt, ein schlechteres Sicherheitsprofil haben als die besser untersuchten modernen Antihistaminika. Die Leitlinie empfiehlt nachdrücklich, von der Verwendung alter Antihistaminika bei Kleinkindern und Kindern abzusehen. Es wird geraten, auf Kinder prinzipiell die gleichen Therapieempfehlungen anzuwenden wie bei Erwachsenen. Das Aufdosieren der Antihistaminika sollte gewichtadaptiert erfolgen. Gerade bei Kindern sollten nur ausreichend auf Sicherheit und Wirksamkeit getestete Medikamente zum Einsatz kommen. Cetirizin, Desloratadin, Fexofenadin, Levocetirizin und Loratadin wurden in Studien mit Kindern ausreichend untersucht und auch ihre Langzeitsicherheit ist nachgewiesen. Welches Antihistaminikum letztendlich verabreicht wird, muss individuell entschieden werden. Das hängt ab vom Alter des Kindes und der zur Verfügung stehenden Antihistaminika. Nicht in jedem Land steht von den genannten Antihistaminika die Arzneimittelzubereitung in Form von Tropfen, Saft oder schnell auflösenden Tabletten zur Verfügung.

Sollten für Kinder die gleichen Therapieempfehlungen gelten?

Wir empfehlen für Kinder mit chronischer Urtikaria prinzipiell die gleichen Therapieformen wie für Erwachsene (Empfehlung/klinischer Konsens)

Schwangere und stillende Frauen

Die gleichen Überlegungen treffen im Prinzip auch auf schwangere und stillende Frauen zu. Auf der einen Seite sollte jede systemische Behandlung während einer Schwangerschaft im ersten Drittel vermieden werden, auf der anderen Seite haben auch Schwangere das Recht auf die bestmögliche Therapie. Die Sicherheit von Arzneimittel während der Schwangerschaft wurde nicht systematisch untersucht. Es muss aber erwähnt werden, dass die möglicherweise negativen Effekte erhöhter Histaminwerte, wie sie bei einer Urtikaria vorkommen, ebenfalls nicht untersucht sind. Bislang wurden keinerlei Geburtsdefekte berichtet, wenn moderne Antihistaminika während der Schwangerschaft eingenommen wurden. Dazu gibt es nur eine kleine Beobachtungsstudie für Cetirizin und eine große Studie für Loratadin, die das zeigen. Darüber hinaus sind einige der modernen Antihistaminika rezeptfrei und werden seit Jahren bei Heuschnupfen und Urtikaria angewandt, so dass davon ausgegangen werden muss, dass viele Frauen diese Medikamente vor allem zu Beginn ihrer Schwangerschaft eingenommen haben. Da bei Schwangerschaft die höchsten Sicherheitsanforderungen zu gelten haben, wird empfohlen, Loratadin und Cetirizin anzuwenden mit der Möglichkeit, die eng verwandten Stoffe Desloratadin und Levocetirizin in Betracht zu ziehen. Alle H1-Antihistaminika werden in geringen Konzentrationen über die Muttermilch ausgeschieden. Daher wird empfohlen, ausschließlich moderne, nicht müde machende Antihistaminika anzuwenden, um die mögliche müde machende Nebenwirkung nicht via Muttermilch auf das Kind zu übertragen. Die Empfehlung, die modernen Antihistaminika in der Dosis zu steigern, wird in der Schwangerschaft nur sehr zurückhaltend formuliert, da es keinerlei Studien zur Sicherheit gibt. Bei Nichtansprechen der modernen Antihistaminika kann im Einzelfall die Anwendung älterer Antihistaminika in Betracht gezogen werden. Deren Anwendung direkt vor der Geburt kann allerdings Nebenwirkungen beim Neugeborenen verursachen. Alle weiteren Therapieschritte müssen auf der Basis individueller Überlegungen erfolgen unter besonderer Berücksichtigung der Medikamente, die ein zufriedenstellendes Risiko-Nebenwirkungsverhältnis bei Schwangeren und Neugeborenen haben.

Sollte der gleiche Behandlungsablauf in der Schwangerschaft und während der Stillzeit angewendet werden?

Wir empfehlen denselben Behandlungsalgorithmus der Urtikaria während der Schwangerschaft und während der Stillzeit (Empfehlung/klinischer Konsens)

Die Autoren der Leitlinie sprechen sich für eine verstärkte Erforschung folgender offen stehender Fragen aus:

  • Häufigkeit der Erkrankung bei Erwachsenen und Kindern
  • die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Erkrankung
  • weitere Erforschung von Faktoren, die die Mastzelle aktivieren
  • histologische Marker
  • die Erforschung von Blutwerten, mit denen man die Urtikaria-Aktivität bestimmen kann
  • Anwendungsforschung der Fragebögen zur Urtikaria-Aktivität und Lebensqualität
  • Erforschung der Rolle von Gerinnungsfaktoren in der chronisch spontanen Urtikaria
  • Die Entwicklung von Tests, die Antikörper gegen IgE oder den IgE-Rezeptor nachweisen
  • Die Erforschung von mit der Urtikaria zusammenhängenden psychischen Erkrankungen
  • Besonderheiten bei antihistaminikaresistenten Formen der Urtikaria
  • Studien, die die modernen Antihistaminika untereinander vergleichen, vor allen in höheren Dosen und verschiedenen Formen der Urtikaria
  • Studien, die die regelmäßige und bedarfsweise Einnahme von Antihistaminika vergleichen
  • Große Studien, die den möglichen Effekt von Gerinnungsmitteln auf die Urtikaria bestimmen
  • Große, kontrollierte Studien, die den möglichen zusätzlichen Effekt von H2-Antihistaminika, Leukotrien-Antagonisten, Sulfonen, Methotrexat oder Azathioprin bestimmen

Urtikaria

Auch Nesselsucht genannt, beschreibt als Begriff eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen juckende Quaddeln und Angioödeme auftreten.

Angioödem

Eine tief im Gewebe liegende, vorübergehende Schwellung. Ursache der Schwellung ist eine Flüssigkeitsverlagerung aus dem Blut, verursacht durch eine zeitweise „Undichtigkeit“ der Blutgefäße. Bei der Urtikaria wird diese „Undichtigkeit“ durch Histamin vermittelt.

Histamin

Botenstoff, der in Mastzellen gespeichert wird. Histamin verursacht die typischen Beschwerden einer Urtikaria: Quaddeln, Angioödeme, Rötung und Juckreiz.

Quaddel

Eine in den oberen Hautschichten liegende, vorübergehende Schwellung, die aussieht, wie eine „Brennesselverbrennung“. Ursache der Quaddel ist eine Flüssigkeitsverlagerung aus dem Blut, verursacht durch eine zeitweise „Undichtigkeit“ der Blutgefäße. Bei der Urtikaria wird diese „Undichtigkeit“ durch Histamin vermittelt.

Klinische Studie

Klinische Studien sind streng reglementierte Versuchanordnungen, um an Gesunden oder Patienten die Sicherheit oder die Wirksamkeit von Medikamenten zu erforschen. Sie werden durchgeführt, um wissenschaftliche Fragestellungen zu beantworten und die medizinische Behandlung zu verbessern.

Antihistaminika

„Allergietabletten“. Der Wirkstoff eines Antihistaminikums blockiert die Histaminrezeptoren an den Blutgefäßen und den Nerven und verhindert damit, dass Histamin seine Wirkung (Urtikaria) entfalten kann.

Leukotrienantagonisten

Medikamente, die eigentlich für die Behandlung des Asthmas zugelassen sind. Der Wirkstoff eines Leukotrienantagonisten blockiert die Leukotrienrezeptoren und verhindert so die entzündliche Reaktion, die durch Leukotriene verursacht wird. Zu einem geringen Grad können Leukotriene bei der Urtikaria eine Rolle spielen.

Mastzellen

Mastzellen sind Zellen der körpereigenen Abwehr, die Botenstoffe, unter anderem Histamin gespeichert haben. Sie finden sich vor allem in der Haut, dem Darm und und in den Atemwegen. Mastzellen können nach der Aktivierung ihre Botenstoffe schnell freisetzen. Sie sind die Schlüsselzellen bei der Verursachung einer Urtikaria, aber auch bei vielen allergischen Erkrankungen.

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